Datenschutz im Betrieb

Die Hälfte der deutschen Unternehmen empfindet die DSGVO als Innovationskiller

Wenn der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien – kurz Bitkom – die Ergebnisse seiner Umfragen veröffentlicht, ist bei Datenschützern Aufhorchen angesagt.

Denn der einflussreiche Branchenverband lässt keinen Brennpunkt aus und kann mit Zahlen aufwarten. Die neusten sehen so aus: Jede zweite befragte Firma gibt an, bei der Markteinführung innovativer Produkte an der DSGVO zu scheitern.

Nicht einmal zwei Drittel setzen die DSGVO um

Bitkom hatte mehr als 500 Unternehmen zum Umgang mit den noch verhältnismäßig neuen Datenschutzregeln befragt. Da wirkt es schon ernüchternd, wenn auch über zwei Jahre nach Inkrafttreten der Datenschutzgrundverordnung nur 57 Prozent der befragten Firmen die Datenschutzregeln auch tatsächlich anwenden. Gerade einmal 20 Prozent haben die DSGVO im eigenen Betrieb voll umgesetzt. Eine Bitkom-Sprecherin zieht daraus den Schluss, dass die Einführung der DSGVO nicht wie ein „Pflichtenheft“ abgearbeitet werden könne und diese Aufgabe für viele Unternehmen durch Unklarheiten und Zusätze wie ein „Fass ohne Boden“ wirke. Ulrich Kelber, der Bundesdatenschutzbeauftragte, sieht dagegen diese knapp zwei Drittel als positiven Wert. Immerhin würden sich jetzt Unternehmen und Bürger mehr und ernsthafter mit dem Datenschutz beschäftigen. So kann man einen faktischen Misserfolg schönreden. Schließlich war die DSGVO 2018 als verbindliches Regelwerk und nicht etwa als gesellschaftliche Diskussionsgrundlage eingeführt worden.

DSGVO mit fataler Bremswirkung

Das ist aber noch nicht alles: 89 Prozent der Befragten teilten Bitkom mit, dass in ihren Unternehmen aus praktischen Gründen die Anforderungen der DSGVO nicht im vollen Umfang realisiert werden könnten. 56 Prozent sind der Auffassung, das europäische Regelwerk verhindere Innovationen. Nach zwei Jahren Erfahrung mit dem neuen Datenschutz darf man davon ausgehen, dass hier berechtigte Zweifel auf der Basis von Erkenntnissen vorliegen und weniger bloße Befürchtungen, die früher in ähnlichen Umfragen zu gleichen Ergebnissen geführt hatten.

Was sind die Gründe für dieses dramatische Urteil? Die Verhinderung von gemeinsam mit Partnerfirmen zu nutzenden Datenpools, eine Bremswirkung für Digitalisierung, Big Data und KI sowie der vorsorgliche Verzicht auf Datenanalysen stehen ganz oben auf der Problemliste. Setzt man dies ins Verhältnis mit den Forderungen der Politik nach Forcierung der Digitalisierung und dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz, zeigt sich die Kluft zwischen Anspruch und Realität. Letztlich steht hier die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen auf dem Spiel, die sich gegen Konkurrenten durchsetzen müssen, für die leichtere Spielregeln gelten. Wo EU-Unternehmen mit Einschränkungen bei Erwerb, Speicherung und Verarbeitung von Kundendaten konfrontiert sind, können etwa amerikanische und erst recht chinesische Firmen weitaus ungezwungener agieren.

Große Mehrheit sieht sich Rechtsunsicherheit ausgesetzt

Weiterhin beklagen 74 Prozent der befragten Unternehmen eine mit der DSGVO einhergehende Rechtsunsicherheit. Es gäbe keine wirklich EU-einheitliche Auslegung der Regeln. Viele fühlen sich von den Aufsichtsbehörden im Stich gelassen. Im Zuge der Corona-Krise hat sich diese Wahrnehmung noch verstärkt. So nutzt etwa ein Viertel der Befragten bestimmte Tools zur Zusammenarbeit aus Datenschutzgründen nicht, obwohl sie die Arbeit im Homeoffice erleichtern würden. Video-Kommunikationssysteme und Messenger-Dienste unterlägen einem generellen Verdacht. Auch wir haben darüber berichtet.

Es nimmt daher nicht wunder, wenn laut der Bitkom-Umfrage 92 Prozent der Befragten Nachbesserungen bei der DSGVO fordern. Dieser Wunsch ist nicht neu, sollte aber vor dem Hintergrund der seit dem Inkrafttreten verstrichen Zeit nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Neben anderen Punkten wurde hier insbesondere eine bessere Beratung und Hilfestellung durch die Datenschutzbehörden angemahnt.

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