Datenschutzwissen

EU-Datenschützer: Europol soll Daten von Verdächtigen löschen

Kürzlich geriet die Luca-App im Zusammenhang mit Datenmissbrauch bei polizeilichen Ermittlungen in Verruf. Dies ist aber nicht das erste Mal, dass Datenschutz und Strafverfolgung zumindest aus Sicht der Ermittlungsbehörden als Gegensatzpaar gesehen werden.

Schon seit einiger Zeit macht ein Satz die Runde, der das Dilemma auf den Punkt bringt: Datenschutz darf kein Täterschutz sein. Nun hat der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) die europäische Polizeibehörde Europol aufgefordert, größere Datenbestände zu löschen. In der EU-Kommission sucht man nach einem Ausweg.

Verdächtige ohne Tatzuweisung

Die Geschichte hat das Zeug zum Aufreger: Wojciech Wiewiórowski als oberster Datenschützer der EU hat Europol für das langfristige Aufbewahren von persönlichen Daten von Verdächtigen gerügt, denen seit sechs Monaten keine Straftaten nachzuweisen waren. Mit Überschreitung der Halbjahresfrist sei der eigene Standard von Europol verletzt worden. Wiewiórowski forderte die Behörde nun auf, diese Datensätze binnen eines Jahres zu löschen, da den zu den Informationen gehörenden Verdächtigen keine konkreten kriminellen Handlungen zugeordnet werden konnten, was ein anderes Verfahren erlauben würde.

Datensätze, die liegen bleiben

Die Rechtsgrundlage sieht für Europol vor, dass nur Daten über einen längeren Zeitraum aufbewahrt werden dürfen, wenn diese in bestimmte Kategorien gefasst worden sind. Dies ist offenbar nicht geschehen. Die von den EU-Mitgliedsländern an Europol übermittelten fraglichen Daten sollen so umfangreich und analyseintensiv sein, dass Europol viele von ihnen bisher lediglich unbearbeitet abgelegt hat. Dies wirft ganz nebenbei ein bezeichnendes Licht auf die Leistungsfähigkeit der grenzüberschreitend aktiven Polizeibehörde mit Sitz in Den Haag. Das europäische Polizeiamt wird immer dann herangezogen, wenn organisierte Kriminalität, Terrorismus und andere Formen der schweren Kriminalität zwei oder mehr EU-Mitgliedstaaten zugleich betreffen. Bei ihm arbeiten 220 Verbindungsbeamte und weitere 1000 Mitarbeiter, die jährlich mit 40000 Ermittlungen befasst sind.

Großzügige Löschfrist ist eine Ausnahme

Die Datenlöschung soll nun „Risiken für die Rechte und Freiheiten von Personen auf ein Minimum“ reduzieren – wohlgemerkt Personen, die zumindest ausweislich ihrer Daten im Halbjahresverlauf eine saubere Weste hatten. Schon 2020 hatte Wojciech Wiewiórowski Europol angezählt – ohne damit allerdings auf besondere Kooperationsbereitschaft gestoßen zu sein. So hatten es die Kriminalisten unterlassen, einen Termin zu bestimmen, bis zu dem die unsortierten Daten gefiltert werden könnten. Gleichwohl begrüßt Europol die angesetzte Löschfrist von einem Jahr, die eine Ausnahmeregelung darstellt. Die Behörde brauche einfach die Zeit, heißt es.

Gesetzesänderung angestrebt

Mittlerweile kommt Gegenwind seitens der EU-Kommission auf, die auf eine schnelle Änderung der Rechtslage zugunsten von Europol drängt. Die Politiker springen den Vollzugsbehörden bei, weil nun einmal für die korrekte Übermittlung und Analyse und Übermittlung von Daten „Instrumente, Ressourcen und Zeit“ benötigt werden, wie die schwedische EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hervorhebt. Sie hatte bereits 2021 eine Änderung der Europol-Verordnung vorgeschlagen, mit der ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen dem Schutz von EU-Bürgern vor Schwerkriminalität und dem Datenschutz für Personen hergestellt werden soll, die ins Visier der Ermittler gekommen sind. Derzeit läuft das Gesetzgebungsverfahren. Zu einer Gesetzesänderung dürfte auch die von Europol erhobene Klage beitragen, dass die Sichtung, Sortierung und Analyse von großen Datensätzen oft mehr als ein halbes Jahr in Anspruch nehmen würde. Wojciech Wiewiórowski dürfte sich fragen, warum dieses Lamento erst jetzt kommt.

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