Die Bundesregierung fordert ein Recht auf Dateneigentum. Wir erläutern die Hintergründe
Der Stein wurde in der ersten Regierungserklärung der Bundeskanzlerin nach ihrer Wiederwahl im März 2018 ins Rollen gebracht. Damals sprach sie wörtlich von einem „fairen System des Dateneigentums“, das es aufzubauen gelte.
In diesem sollten die Bürger über ihre personenbezogenen Daten souverän entscheiden dürfen. Daten seien dann eine Frage des Eigentums und der Teilhabe daran. Was seinerzeit nach der desaströsen Regierungsbildung in der Bevölkerung weitgehend unbeachtet blieb, schlug in Fachkreisen Wellen. Gibt es tatsächlich ein Eigentum an Daten? Brauchen wir es? Und wem soll es dienen? Jedenfalls ist dieses Anliegen Teil des Koalitionsvertrags.
Persönliche Daten als Rohstoff
Beim Diskurs über die Einführung eines Eigentumsrechts an Daten fällt immer wieder der Begriff „Rohstoff“. Als solcher seien Daten zu betrachten und juristisch zu behandeln. Zuerst schlugen die Verbraucherzentralen Alarm. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) erstellte ein umfangreiches Gutachten, das vor den Gefahren einer eingeschränkten Nutzung von Daten warnt. Verbandschef Müller sieht die Möglichkeit eines Ausschlusses von anderen, woraus sich im Umkehrschluss eine exklusive Nutzung von Daten ergeben könnte.
Der VZBV geht aber noch weiter: Die Bundesregierung argumentiere sicher richtig, dass dem einzelnen Bürger die Hoheit über seine eigenen Daten zurückgegeben werden soll. Zudem hätte ein rechtlich gesichertes Dateneigentum das Potenzial zur Wertschöpfung. Doch befürchten Verbandsvertreter eine hemmungslose Kommerzialisierung „grundrechtssensibler Bereiche“. Kein Wunder also, dass die Autoindustrie so reges Interesse an diesen Plänen hätte und Druck auf das Bundesverkehrsministerium ausübe, wo interessanterweise die Schaltstellen für die juristische Wegbereitung dieses Themas zu finden sind.
Gibt es eine juristische Basis?
Bei aller Polemik gilt es das heiße Eisen mit einem kühlen Kopf anzugehen. Sind Daten beispielsweise mit Sachen gleichzustellen? Gegner des geplanten Eigentumsrechts führen an, dass Daten eben keine Sachen seien, die man verkaufen oder übergeben könne. Wenn sie wirklich der „Rohstoff des 21. Jahrhunderts“ seien, wie Befürworter behaupten, dann wären sie ein Rohstoff, der sich anders als jeder andere auf der Erde vorkommende Rohstoff beliebig vervielfachen ließe.
Wie der Deutsche Anwaltsspiegel schreibt, existiert eine Studie der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke („Legal Study on Ownership and Access to Data“) von 2017, die sich fernab emotionaler Aufladungen mit Formen des Dateneigentums oder des Rechts auf Zugang zu Daten innerhalb der EU beschäftigt. Auf EU-Ebene sei dafür der Geheimnisschutz kommerzieller und technischer Daten von Bedeutung, aber auch das für Datenbanken geltende Urheberrecht sowie das Datenbankherstellerrecht. Beide Rechte schützen aber die Datenbank, nicht die Daten an sich. Es bestehen laut dieser Studie bedeutende Hindernisse, dass aus dem Umstand, dass Daten ein wettbewerbsrelevanter Faktor seien, auch ein Recht auf Zugang zu diesen Daten abgeleitet werden könne.
Vor der EU-weiten Umsetzung der DSGVO galt der strenge strafrechtliche deutsche Datenschutz als mehr oder weniger einzigartig in Europa. Doch weil unbefugte Datenverwendung potenziell strafbar sei, ließe sich laut der Studie nicht automatisch ein absolutes Schutzrecht von Daten ableiten, wie es einige Juristen gern hätten. Privatpersonen können ihre Daten im Rahmen des Persönlichkeitsrechts kommerziell nutzen. Diese gelten als Geschäfts- und Betriebsgeheimnis.
Im Zweifel siegt der Zweifel
Die Studie hebt hervor, dass die Gerichte Daten einen wirtschaftlichen Wert zusprechen und deren Löschung schadensersatzpflichtig machen. Hier treffen die Juristen eine wesentliche Unterscheidung: Der erwähnte Schadensersatzanspruch resultiert nämlich nicht aus einer Dateninhaberschaft, sondern aus einem Eigentum am Datenträger. Das Resümee der Betrachtung: Auch den Verfassern der Studie ist nicht ganz wohl im Hinblick auf ein neues Recht auf Dateneigentum. Gerade indem eine Regulierung fehle, kann die Verwertung von Daten flexibel vertraglich geregelt werden. Indes sind die ökonomischen Folgen durch eine neue Rechtslage nicht vorhersehbar. Juristen erkennen hinter diesen Bestrebungen einen rein politischen Prozess, dem es an einer sinnvollen wirtschaftlichen Argumentation fehle.
Besser Status Quo als rechtliches Abenteuer
Derweil befürchten Kritiker einen nationalen Alleingang. Ein zukünftiges Dateneigentumsrecht müsse aber nicht nur mit der Datenschutz-Grundverordnung kompatibel, sondern europaweit verankert sein. Alternativ könne sich dieses Recht auf nicht-personenbezogene Daten beschränken. Doch auch dann würden Grauzonen wegen unklarer Abgrenzungen bestehen. Genügt denn nicht eigentlich das Instrument der informierten Einwilligung, wie es bereits gehandhabt wird? Denn dabei würden die Verbraucher ohnehin über die Nutzung ihrer Daten bestimmen können.
Woher eigentlich all die Aufregung?
Viele Teilnehmer der aktuellen Diskussion sehen die deutsche Automobilindustrie als Triebkraft. Sie habe bereits Jahre vor Verabschiedung der DSGVO für neue Geschäftsmodelle geworben – etwa vernetzte Fahrzeuge –, deren technische Daten aus ihrer Perspektive für den Datenschutz nicht relevant seien. Mit diesem Vorstoß war die Tür zum Dateneigentum aufgestoßen worden, das in dieser Hinsicht dem Unternehmen gehören würde, nicht mehr den Autobesitzern. So scheuen Gegner eines Dateneigentumsrechts ein neues Gesetz wie der Teufel das Weihwasser. Und eine an sich spannende Problematik pendelt einstweilen weiter zwischen den Hoffnungen einer gebeutelten Branche, der Wirtschaftsfeindlichkeit von Verbänden und dem überwiegenden Unverständnis der großen Masse der Verbraucher.
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