Datensicherheit im Internet

Online-Unterricht: Wenn der Datenschutz ins Kinderzimmer einzieht

Wie sieht die Situation beim Homeschooling aus? Auch dies eine neue Form des Miteinanders, die Schüler wie Lehrer vor datenschutzrechtliche Herausforderungen stellt.

In einem früheren Beitrag wurde an dieser Stelle untersucht, wie sich der Datenschutz im Homeoffice realisieren lässt. Mit dieser für die meisten neuen Arbeitsform haben Gesetzesauflagen in die Privatwohnung Einzug gehalten, die manche überfordern dürfte. Wir kamen seinerzeit zu dem Ergebnis, dass es hierbei nicht zuletzt um Verhältnismäßigkeit und Realitätsnähe geht.

In Thüringen soll ein Minister gehen

Wer die täglichen Meldungen zur Coronakrise studiert und sich Sorgen um Gesundheit und das Fortbestehen ganzer Branchen macht, könnte einen aktuellen Streit im Thüringer Landkreis Eichsfeld für reichlich bizarr halten. Verwickelt sind der Landrat, der Landesbeauftragte für Datenschutz, Gymnasiallehrer und Schüler – und auch der Bildungsminister von Thüringen. Der wurde vom Chef des Lehrerverbands des Freistaats wegen mangelnden Vorbildcharakters gerügt, und die Schüler fielen ein.

Der Hintergrund: Bildungsminister Holter hatte den Schülern die Nutzung der Thüringer Schulcloud empfohlen, führt selbst aber Live-Gespräche auf Instagram. Die Empörung schlägt Wellen. Ein Schüler lässt sich in der Presse mit der Aussage zitieren: „Dieser grobe, wissentliche Angriff des Bildungsministers auf den Schutz unserer Privatsphäre darf nicht ohne Konsequenzen bleiben.“ Die Grundrechte der Schüler würden über Bord geworfen. Während schon manche Publikationen eine „deutsche Greta“ fordern, die endlich das herrschende „Schuldesaster“ anprangert und schon von einer „verlorenen Generation die Rede“ ist, scheinen offenbar die Schüler selbst andere Probleme zu haben.

Datenschutz vs. Funktionalität

Das Datenschutzproblem im Bildungswesen lässt sich vor allem an den Cloud-Services festmachen. Es scheint ein Dilemma zu geben: Die Konferenzsysteme, die konform mit dem Datenschutz sind, haben Funktionsdefizite – die besser laufen, erfüllen nicht die Datenschutzauflagen. Statt ein offizielles System zu nutzen, sind unter der Hand Zoom, Google Classroom oder Microsoft Teams beliebt. Die aber haben viele Datenschutzbeauftragte auf den Index gesetzt.

Kindern ermangelt es oft noch an einem Bewusstsein für das Schützenswerte ihrer personenbezogenen Daten. Einwilligungen für Videokonferenzen, um Rechtskonformität herzustellen, wären eine mögliche Lösung. Doch was, wenn Eltern die ja freiwillig zu leistende Unterschrift verweigern? Werden dann ihre Kinder womöglich an den Pranger gestellt und ausgegrenzt? Wer dies nicht will, steht vor der Entscheidung, unfreiwillig einem Verfahren zustimmen zu müssen, das eigentlich zur Wahrung seiner persönlichen Freiheit im Datenaustausch gedacht war.

Eltern müssen draußen bleiben

Als sei dies alles nicht schon verzwickt genug, erreichen Eltern Schreiben von Schulen, die ungefähr so lauten: „An einer Videokonferenz nehmen nur Schüler und Lehrkräfte einer Klasse teil. Es befindet sich sonst niemand im gleichen Raum und schaut zu oder hört mit.“ Gegen Verstöße würde rechtlich vorgegangen. Was in diesem kategorischen Duktus verlautet, dürfte in diesen Tagen viele ohnehin schon geprüfte Eltern vor neue Schwierigkeiten stellen. Ein Elternteil oder beide arbeiten vielleicht im Homeoffice und nutzen zu Hause eine limitierte Technik. Oder die Wohnsituation hat Grenzen, die ein ungestörtes Fürsichsein ausschließt. Verständlich, dass sich viele Eltern noch mehr von den Behörden gegängelt fühlen.

Dabei stellen Schuldirektoren durchaus klar, dass sie keineswegs als fanatische Datenschutzapostel auftreten, sondern den Schülern ein Mindestmaß an Privatsphäre bieten wollen. Auch sollten die Familien wissen, dass beim Homeschooling nichts mitgeschnitten werden darf. Offenbar passiert es täglich, dass sich Eltern in den laufenden Online-Unterricht einmischen. Hier gelte es abzuwägen, sagen die Pädagogen. Technische Hilfe am Küchentisch sei gerade bei jüngeren Schülern unterrichtsfördernd. Anders sieht es aus, wenn die Mutter mit ihrem Kind oder gar dem Lehrer diskutiert.

So behutsam und mit Augenmaß hier die Eltern in die Pflicht genommen werden, sind auch die meisten Lehrer inzwischen genug sensibilisiert, datenschutzrelevanten Inhalte möglichst auszuklammern. Auch hier zeigt sich also, wie sich die Umsetzung des modernen Datenschutzes an Gegebenheiten messen lassen muss, die bei seiner Formulierung ganz sicher nicht in der Vorstellungswelt der Juristen waren – und die nun für eine Bewährungsprobe sorgen.

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