Datenschutzwissen

Wer liest denn sowas? Die Daten­schutz­richt­linien von TikTok erfordern 104 Minuten Lesedauer

Social Media aus China ist vielleicht nicht in aller Munde, dafür aber weltweit in den Händen unzähliger Teenager. Begonnen hatte die Plattform als Videoportal für Lippensynchronisation von Musikvideos.

2020 war die App auf über zwei Milliarden Smartphones installiert. Mit der weltweiten Popularität wuchs auch die Kritik: TikTok muss sich Vorwürfen wegen politischer Zensur oder Einflussnahme, sexueller Inhalte für Minderjährige, Spionage und auch datenschutzrechtlichen Unklarheiten stellen. Natürlich lassen solche Bedenken sensible Beobachter aufhorchen. Social Media und Datenschutz? Ist das überhaupt möglich, wenn man sich nur den juristischen Parcours ansieht, den Facebook in den letzten Jahren hingelegt hat? Wie sicher auch immer TikTok ist – sich darüber beim Portal selbst zu informieren, dauert eine Ewigkeit.

Verstehen das die Nutzer?

Vor allem Kinder und Jugendliche nutzen TikTok, um kurze, mit Musik unterlegte Videos hochzuladen und mit anderen zu teilen. Diese Filme laufen unter Hashtags, die unter anderem in der Community zu Clip-Wettkämpfen auffordern. Die App gilt denn auch in puncto Datensicherheit und Datenschutz kritisch, was gerade diese junge Nutzergruppe betrifft. Auf der Webseite der Plattform heißt es deshalb: „TikTok ist nicht für Kinder unter 13 Jahren bestimmt.“ Doch schon hier beginnt das Problem. Wie das Portal AddictiveTips ermittelt hat, muss man schon annähernd volljährig sein, um die Datenschutzrichtlinien von TikTok überhaupt verstehen zu können. Zum Vergleich: Bei WhatsApp verhält es sich umgekehrt. Dort darf man erst mit 16 Jahren mitmachen, kann die Datenschutzangaben des Messengerservices aber durchaus schon zwei, drei Jahre früher begreifen.

Jede Menge Fachchinesisch

AddictiveTips startete eine Umfrage, die weitere Schwachpunkte aufdeckte, die symptomatisch für TikTok, aber auch für andere Social-Media-Anbieter sind. Deren Datenschutzrichtlinien strotzen nur so vor Begriffen wie API, Cookies, IP-Adresse, Drittanbieter oder auch Datenschutzgrundverordnung. Mit ihnen können bis zu 62 Prozent der 2105 befragten 18 bis 50-Jährigen nicht allzu viel anfangen. Dies scheint allerdings keine Altersfrage zu sein.

Unzumutbare Lesedauer

Ob und wie rechtliche Bestimmungen eingehalten werden, lässt sich wahrscheinlich schwer im Umgangsdeutsch und auf einer halben Seite beschreiben. So müssen sich heranwachsende Nutzer, deren schriftliche Kommunikation oft sehr simplen Regeln folgt und die kurze Texte zu schreiben gewohnt sind, einem Lesemarathon unterziehen – wenn sie denn überhaupt Interesse an den Inhalten einer Datenschutzrichtlinie haben. Laut AddictiveTips fühlen sich Social-Media-Nutzer oft überfordert, wenn sie lesen sollen, wie TikTok & Co. ihre Privatsphäre schützen. So geben 83 Prozent von ihnen ihre Zustimmung, ohne sich mit der Materie auseinandergesetzt zu haben – ein Thema, das außerhalb der sozialen Netzwerke auch bei vielen anderen Web- und App-Anbietern bekannt ist. Um nun die Datenschutzrichtlinien von TikTok in ihrer Gesamtheit zu lesen, benötigen durchschnittliche Leser 104,8 Minuten, wie eine spezielle Software ermittelt hat. Das ist mehr als Spielfilmlänge. Bei WeChat erfordert die Kenntnisnahme der Datenschutzrichtlinien immer noch 74,4 Minuten, bei LinkedIn 48,2 Minuten. Twitch mit einem ebenfalls geforderten Mindestalter von 13 Jahren liefert den kürzesten Lesestoff. Wie kompatibel, muss man sich fragen, sind Nutzerverhalten und Transparenz, wenn von 13-Jährigen eine Bereitschaft zum stundenlangen Lesen einer rechtsverbindlichen Richtlinie erwartet wird?

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Hier bloggt die Redaktion Datenschutz & Datensicherheit des Verlags Mensch und Medien.

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