Besteht ein Unterlassungsanspruch bei versehentlich zugestellten Werbe-Postwurfsendungen?
Wie verträgt sich das falsche Zustellen von Werbemails mit dem datenschutzrelevanten Selbstbestimmungsrecht des Adressaten? Ein Fall vor Inkrafttreten der DSGVO, der nichts von seiner Aktualität verloren hat.
Des einen Freud ist des anderen Leid – so zugespitzt könnte man die Situation im Direktmarketing umschreiben: Anbieter überschwemmen den Markt durch flächendeckende Postwurfsendungen an die Haushalte ihrer Zielgruppe. Die sieht sich wahlweise gut informiert oder aber schlicht zugemüllt. Hinweise auf Briefkästen untersagen den Einwurf unverlangter Werbesendungen. So weit, so bekannt. Ein Fall aus Dortmund beleuchtet den Umstand, dass Postwurfsendungen durchaus versehentlich ohne böse Absicht in den Briefkastenschlitz gelangen können.
Gratiszeitung mehrmals gegen den Wunsch des Adressaten zugestellt
„Einkauf aktuell“ heißt denn auch das Blatt, das offenbar irrtümlich seinen Weg in einen Postkasten fand. Der Fall kam vor das Landgericht Dortmund, das Verständnis für den Ausbringer der Werbesendung und damit für den Werbetreibenden zeigte. Grundsätzlich seien solche Gratissendungen an Privathaushalte zulässig und auch zumutbar. Es sei denn, man widerspricht ausdrücklich der Zustellung und erklärt, dass man diese nicht wünsche.
Wird dieser Wunsch vom Zusteller übergangen, liegt eine Missachtung vor, so das Landgericht. Der Kläger hatte eine entsprechende Willenserklärung abgegeben und kenntlich gemacht. Dennoch kam es zu insgesamt fünfmaligen Einwürfen der Gratiszeitung. Für das Gericht „unstrittig Einzelfälle“. Nach §§ 1004, 823 BGB stellten diese indes keine Eingriffe in die Rechte des Klägers dar.
„Ausreißer“ sind keine unzumutbare Belästigung
Das Gericht wies darauf hin, dass die Beklagte „grundsätzlich“ den Wunsch des Klägers respektiert habe, es sich mithin um einige „Ausreißer“-Fälle handelt. Von einem bewussten mehrmaligen „Hinwegsetzen über den entgegenstehenden Willen des Umworbenen“ könne also keine Rede sein. Um die Rechtswidrigkeit eines vermuteten Eingriffs in das Persönlichkeitsrecht zu prüfen, seien laut den Richtern genauestens die beiderseitigen Interessen abzuwägen. Hier könne aber nicht davon ausgegangen werden, dass es sich bei den problematischen fünf Postwurfsendungen um eine unzumutbare Belästigung handelt.
Unerwünschte Post gehört in Ausnahmefällen zum Lebensrisiko
Unzumutbar, das heben die Richter hervor, sei beispielsweise eine „hartnäckige Ansprache“, indem sich der Zusteller von „Einkauf aktuell“ wiederholt bewusst über den entgegenstehenden Willen des unfreiwillig Umworben hinwegsetzt. Dass es sich aber um ein bloßes Versehen gehandelt haben muss, unterstreicht allein die Tatsache, dass die fünf Zustellungen in einem Zeitraum von immerhin drei Jahren zustande kamen – die übliche Zustellungsfrequenz der Werbesendung ist aber wöchentlich.
Für das Gericht ist damit erwiesen, dass der Beklagte das Selbstbestimmungsrecht des Klägers im Großen und Ganzen gewahrt hatte. Die irrtümlichen Zustellungen unterlägen dem allgemeinen Lebensrisiko – menschliches Versagen müsse unter gewissen Umständen einfach toleriert werden, wenn es das zumutbare Maß nicht übersteigt.
LG Dortmund, Urteil vom 21.12.2016, Az.: 3 O 110/16
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