Datensicherheit im Internet

Kinderpornographie: Wenn der Datenschutz Täter unangreifbar macht

Aufgrund des Datenschutzes kann in Deutschland vielen Verdachtsfällen nicht nachgegangen werden. Dieses Problem und die Untätigkeit auf politischer Ebene sind umso heikler, wenn es sich bei den Opfern um Kinder handelt.

Als Hessen 1970 das weltweit erste Datenschutzgesetz verabschiedete, dem 1977 das deutsche Bundesdatenschutzgesetz folgte, waren damit wichtige Meilensteine auf dem Weg zum Schutz des Bürgers vor Missbrauch seiner persönlichen Daten aufgestellt worden. Es ging damals wie heute um informationelle Selbstbestimmung. Das Gesetz richtete sich damals hauptsächlich gegen staatliche und institutionelle Übergriffe oder Datenmissbrauch durch Unternehmen. Vor dem Hintergrund Tausender Verdachtsfälle, denen in Deutschland aufgrund des Datenschutzes nicht nachgegangen werden kann, stellt sich einmal mehr die Frage: Ist Datenschutz nicht teilweise auch Täterschutz?

90000 strafrechtlich bedeutsame Hinweise pro Jahr

Die Unionsfraktion im Bundestag hatte eine Anfrage an die Bundesregierung zur Aufklärung von Kinderpornographie gestellt. Die Antwort offenbart ein erschreckendes Ausmaß und die Ohnmacht des Staates: 2022 erhielt das Bundeskriminalamt aus den USA 136437 Hinweise auf Kinderpornografie – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr um 74 Prozent. Basis für diesen Fingerzeig sind Datensätze, die das renommierte National Center for Missing and Exploited Children (NCMEC ) gesammelt hatte. Rund 90000 dieser Hinweise sind laut BKA von strafrechtlicher Relevanz. Diese Daten stammen letztlich von Internetriesen, wie etwa Facebook, Google oder Yahoo, und kamen beim automatisierten Scannen von gespeicherten Daten zustande. Was in Deutschland so nicht möglich wäre und von Datenschützern immer wieder angeprangert wird, leistet in diesem Fall Hilfe bei der Aufklärung und Bekämpfung von Straftaten. Tatsache ist: Ohne die auf Betreiben des US-Kongresses 1984 in Virginia gegründete Initiative und das Mitwirken der Großkonzerne lägen deutschen Ermittlern diese Daten nicht vor.

Straffreiheit wegen fehlender Vorratsdatenspeicherung

Und dies ist die wahre Schattenseite eines musterhaften europäischen Datenschutzes: Von den übermittelten Fällen werden 5614 nicht weiter bearbeitet und sind im Aktenarchiv gelandet. Die dahinter stehenden Verbrechen können nicht geahndet werden, eine Strafverfolgung findet nicht statt. Denn das oftmals einzige Beweisstück für erfolgten Kindesmissbrauch besteht in der IP-Adresse des oder der Täter. Diese jedoch wird von den jeweiligen Telekommunikationsanbietern nicht gespeichert. In Deutschland gibt es dafür keine gesetzliche Verpflichtung – ein Ergebnis der Brennpunktdiskussion um die Vorratsdatenspeicherung, die nun aktueller denn je geworden ist.

Die IP-Adresse ist gewissermaßen die Adresse eines Rechners, mit der dieses Gerät im Internet identifiziert werden kann. In vielen Fällen liegt Ermittlern nur dieser individuelle Code vor. Ohne ihn lässt sich vielen Missbrauchstätern nicht das Handwerk legen.

Ampelkoalition mauert bei Lösungsfindung

Dabei hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) bereits im Herbst 2022 eine pragmatische Lösung gefunden. Liegen schwere Fälle, wie Terrorismus oder eben Kindesmissbrauch, vor, darf nach dem jüngsten EuGH Urteil eine Vorratsdatenspeicherung erfolgen. Im Bundestag hatte die Ampelkoalition seither dafür gesorgt, dass dieses brisante Thema nicht Gegenstand einer Anhörung wurde. Aus dem Justizministerium heißt es lediglich, eine Meinungsbildung in der Bundesregierung zur Entscheidung aus Brüssel sei noch nicht abgeschlossen. Wann dies der Fall sei, „steht derzeit noch nicht fest“. So vergehen weitere Monate, in denen eine wachsende Zahl von Kindesmissbräuchen der Aufklärung durch die Ermittlungsbehörden entzogen bleibt.

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