Datenschutzwissen

Die neuen „Kiffer-Listen“ und das Problem mit dem Datenschutz

Als würde die am 1. April 2024 in Kraft getretene Legalisierung von Cannabis nicht schon für genügend Diskussionsstoff sorgen: Jetzt warnen Datenschützer vor „albtraumhaften Zuständen“ bei der Erfassung von Mitgliederdaten der Cannabis-Anbauvereinigungen.

Hanf-Anbauvereinigungen unter strenger Kontrolle

Das Cannabisgesetz (CanG) soll Jugendliche vor Cannabiskonsum schützen. So steht es unter anderem auf der Webseite des Bundesgesundheitsministeriums. Auch soll der Überwachungsdruck gelockert werden. Doch statt Staatstrojanern und dem großen Lauschangriff droht neues Ungemach. Denn die „Regelungen zum Eigenanbau in Anbauvereinigungen“, die am 1. Juli in Kraft treten, sollen auch ein Datensammeln nie gekannten Ausmaßes umfassen.

Die Anbauvereinigung ist die gesetzlich zugelassene Organisationsform für den gemeinschaftlichen, nicht gewerblichen Hanfanbau zum Eigenkonsum sowie für die kontrollierte Weitergabe von Haschisch oder Marihuana an andere Mitglieder. Man muss zum Beitritt volljährig sein und darf nur in einer solchen Gemeinschaft Mitglied sein. Diese ist auf 500 Mitglieder beschränkt und strengen gesetzliche Vorschriften unterworfen, um dem Kinder- und Jugendschutz Genüge zu tun.

Sensible persönliche Daten für die Behörden

Die Anbaugemeinschaften sind zahlreichen Auflagen unterworfen. Um behördliche Kontrollen zu ermöglichen, müssen sie von ihren Mitgliedern detailreiche Daten erfassen und fünf Jahre lang aufbewahren. Dazu gehören etwa die Mitgliedernamen, ihr Geburtsjahr und die Anschrift, außerdem die von ihnen abgegebene Cannabismenge mit Datum und THC-Gehalt. Die vom Gesetzgeber geforderte Dokumentations- und Berichtspflichten haben in der Szene bereits eine unrühmliche Bekanntheit als „Kiffer-Listen“ erlangt.

Datenschützer befürchten, dass diese Datensammlungen zum „Selbstbedienungsladen für Behörden“ werden. Diese dürfen künftig nicht nur die von den Anbaugemeinschaften erhobenen sensiblen Mitgliederdaten einsehen, kopieren und zwei Jahre speichern – auch die Weitergabe an andere Behörden ist erlaubt, wenn sich dadurch Straftaten und Ordnungswidrigkeiten aufklären lassen. Wie Bürgerrechtler und Juristen anführen, sind dafür nicht einmal ein Anfangsverdacht oder ein richterlicher Vorbehalt vonnöten. Dem Missbrauch seien damit Tür und Tor geöffnet – vor allem dann, wenn sensible Daten in die Hände von Versicherungen oder Arbeitgebern fallen könnten.

Kiffer-Vertreter monieren mangelnde Akzeptanz

Steffen Geyer vom Dachverband deutscher Cannabis Social Clubs (CSC) lässt sich von den Medien dahingehend zitieren, dass die „Datensammelei“ für viele potenzielle Gras-Konsumenten wohl ein rotes Tuch sei und diese daher lieber einen Bogen um die Mitgliedschaft in einer Anbauvereinigung machen würden.

Auch Georg Wurth vom Deutschen Hanfverband erkennt eine repressive Ausgangslage der Cannabis-Legalisierung: „Das ist ein erhebliches Datenschutzproblem und wird die Akzeptanz von Anbauvereinen schwächen.“ Seinen Worten nach hätten Millionen Hanfkonsumenten „staatliche Verfolgung erlebt“ und könnten nun nicht dazu bewegt werden, staatlichen Behörden ihre persönlichen Daten zum Cannabisverbrauch „auf dem Silbertablett (zu) servieren“.

Vergleich mit Corona-Repressionen

In der deutschen Kiffer-Community werden nicht grundlos ungute Erinnerungen an die Pandemiezeiten wach. Bekannt ist der Szene, dass 2020 auch Behörden der Strafverfolgung auf Gästelisten zugriffen, die eigentlich allein die Nachverfolgung von Corona-Infektionsketten unterstützen sollten. Noch bevor die zweite Stufe des CanG gezündet ist, laufen sich nun Juristen warm, die in puncto „Kiffer-Listen“ seine Unvereinbarkeit mit der DSGVO bemängeln.

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