Bundesregierung will zur Vorratsdatenspeicherung im Rahmen des EU-Rechts zurückkehren
Was sich die Bundesregierung vorgenommen hat, ist auf den 162 Seiten des Koalitionsvertrags nachzulesen. Sogar von Vorratsdatenspeicherung ist wieder die Rede.
Was ist mit Vorratsdatenspeicherung gemeint?
Wir erinnern uns: Das Verwaltungsgericht Köln bestätigte 2018 frühere Urteile, wonach eine anlasslose Speicherung von Verkehrs- und Standortdaten – die umstrittene Vorratsdatenspeicherung – gegen das Europarecht verstoße. 2022 urteilte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in einer Grundsatzentscheidung im gleichen Sinn. In Deutschland wird diese Speichermethode demzufolge seit Jahren nicht angewendet. Konkret geht es dabei um sogenannte Verkehrsdaten zu Kommunikationsverbindungen (wer mit wem, Gesprächsdauer, Standort), die Kommunikationsanbieter „auf Vorrat“ speichern könnten, um sie den Strafverfolgungsbehörden bei Bedarf zur Verfügung stellen zu können.
Die aktuelle Diskussion bezieht sich nicht auf eine umfassende Vorratsdatenspeicherung, sondern um das Speichern von IP-Adressen als personenbezogene Daten. IP steht für Internetprotokoll. Auch auf dieser Plattform wurde immer wieder darauf hingewiesen, dass mangels vorweisbarer IP-Adressen die Aufklärung der Identität von Tätern beispielsweise in den Bereichen Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Deutschland erschwert wird und die Behörden auf die Hilfe von Diensten aus den USA angewiesen sind.
IP-Adressen dürfen vorsorglich gespeichert werden
Ab Seite 82 des von Union und SPD abstimmten Koalitionsvertrags werden neue Wege in der deutschen Sicherheitspolitik thematisiert. So heißt es: „Wir führen eine verhältnismäßige und europa- und verfassungsrechtskonforme dreimonatige Speicherpflicht für IP-Adressen und Portnummern ein.“
Interessant an dieser beabsichtigten Neuerung ist nicht nur, dass sie vor dem Hintergrund eines jahrzehntelangen Streits zwischen den deutschen Parteien und zuletzt in der Ampelkoalition stattfinden soll. Die Gegner der Vorratsdatenspeicherung warnen vor einem nicht zu duldenden staatlichen Eingriff in die Grundrechte der Bürger – die Befürworter verweisen auf die Notwendigkeit des Datenvorrats für die Bekämpfung von Straftaten.
Während der EuGH seinerzeit die Speicherung einer Gesamtheit der Daten auch über kurze Zeiträume als mit dem Europarecht unvereinbar zurückwies, ließ er einen Punkt offen: Denn IP-Adressen dürfen laut Gerichtsentscheidung anlasslos und flächendeckend in der EU gespeichert werden. Nur wurde diese Möglichkeit in Deutschland seither nicht genutzt.
BKA-Chef begrüßt das Vorhaben
IP-Adressen sind keinen Personen, sondern den von ihnen benutzen Geräten zugeordnet. Doch lassen sich über sie Anschlüsse und deren mögliche Nutzer ermitteln. Mit der angekündigten IP-Vorratsdatenspeicherung über drei Monate können nun nach Angaben des BKA-Chefs Holger Münch terroristische Straftaten und sexualisierte Gewalt gegen Kinder mit einer „deutlich höheren“ Erfolgsquote aufgeklärt werden. Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland gab Münch zu: Etwa ein Viertel „der strafrechtlich relevanten Fälle im Zusammenhang mit der Verbreitung von Kinderpornografie konnten wir 2022 nicht weiterverfolgen, weil die IP-Adressen nicht mehr vorhanden waren und sie den einzigen Ermittlungsansatz darstellten“.

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