Berlins Regierender Bürgermeister will den Datenschutz in Deutschland nachbessern
Normalerweise halten sich deutsche Regierungsvertreter auf Auslandsreisen mit Stellungnahmen zur Situation daheim zurück. Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU) hielt sich jüngst nicht an die Etikette, sondern forderte im fernen Japan nichts Geringeres als eine Neubewertung des europäischen Datenschutzes. Den Anlass gaben offenbar Eindrücke vor Ort.
„Digitale Zwillinge“ benötigen Big Data
Wegner war Mitte Mai zu einem offiziellen Besuch in Japan. In dessen Verlauf kam es auch zu einem Treffen mit Vertretern des Technologie-Konzerns Fujitsu. Ein Thema war die Generierung „digitaler Zwillinge“. Dabei handelt es sich um die virtuelle Kopie eines physischen Produkts, eines Prozesses oder eines Systems, die mit dem realen Gegenstück so identisch ist, dass Simulationen zum Zweck der Verbesserung durchgeführt werden können. Um „digitale Zwillinge“ zu erstellen und zu nutzen, bedarf es des Einsatzes von künstlicher Intelligenz – und auch von mehr oder weniger großen Datenmengen. Als Beispiel wurden Modelle zur Verkehrssimulation genannt. Um Verkehrsströme im Sinne von mehr Effizienz und Sicherheit zu optimieren, ist die Einspeisung menschlicher Daten unerlässlich. Denn ohne Big Data lassen sich keine Rückschlüsse und Simulationen von Verhaltensmustern in bestimmten lokalen und regionalen Umgebungen ableiten. In der europäischen Praxis stünde diesem und weiteren Anwendungsgebieten „digitaler Zwillinge“ jedoch ein strikter Datenschutz entgegen.
Wegner möchte Datenschutz neu diskutieren
In einem Interview mit dem rbb machte der Regierende Bürgermeister deutlich, dass auch in Deutschland die Simulation durch „digitale Zwillinge“ gebraucht würde, nämlich „dringend“. Doch dafür müsste der erforderliche Datenzugriff möglich sein. Wegner wurde deutlich: „Hier muss man schauen, was geht mit unserem Datenschutz. Und wenn bestimmte Dinge nicht gehen, muss man darüber sprechen, ob wir den Datenschutz dahingehend ändern.“ So unmissverständlich wurden Nachbesserungen am europäischen Datenschutz von hoher politischer Stelle bislang noch nicht eingefordert. Dass datenschutzrechtlich Hindernisse bei der Umsetzung von Digitalisierung, in der Mobilität oder im medizinischen Bereich bestehen, machen Branchenvertreter und Verbände allerdings regelmäßig publik.
Digitale Chancen in Deutschland besser nutzen
Die mit Wegner nach Japan gereiste Berliner Wirtschaftsdelegation will die Äußerungen des Regierenden Bürgermeisters nicht falsch verstanden wissen. Die kompromisslose Nutzung „digitaler Zwillinge“ nach japanischem Modell sei in Deutschland jedenfalls nicht möglich. Was Wegner vielmehr wolle, sei die optimale Nutzung der digitalen Chancen, jedoch keine „herumfliegenden Daten“. Bereits 2023 hatte der erst kurz zuvor gewählte CDU-Mann die Grenzen des Datenschutzes zu spüren bekommen. Seine als Sicherheitsinstrument gedachte Ausweispflicht in Berliner Bädern kollidierte nach Ansicht der Datenschutz-Beauftragten Maike Kamp mit dem Grundrecht der Badegäste auf informationelle Selbstbestimmung.
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